© Hendrik Lüders

Selbstbestimmung und Gemeinschaft

Am 1. Dezember 2020 eröffnete das Wohnprojekt Hamburg Leuchtfeuer Festland für junge chronisch kranke Menschen in der Baakenallee 58. Es ist das erste seiner Art in Hamburg und Umgebung.

Bei der Planung und beim Bau konnte Hamburg Leuchtfeuer von der Bauherrengemeinschaft mit der Hamburger Wohnen und der Allgemeinen Deutschen Schiffszimmerer-Genossenschaft profitieren. 8 Stockwerke, 2 Gemeinschaftsräume, 27 barrierefreie Wohnungen für bis zu 44 Menschen: Das ist Festland. Hier können junge chronisch kranke Menschen leben und in Gemeinschaft wohnen. Dadurch erhalten sie eine bessere Lebensperspektive. Erbaut wurde es in nicht einmal zwei Jahren. Das Quartier Baakenhafen fand sich als Standort durch eine glückliche Fügung, wie es Geschäftsführer Ulf Bodenhagen (Foto rechts) im Nachhinein bezeichnet:„Unsere Baubetreuerin Verena Onnen kam auf einer Fachtagung in Kontakt mit der Hamburger Wohnen und der Schiffszimmerer-Genossenschaft. Diese suchten damals nach einem sozialen Projekt für das Baufeld 95 in der Baakenallee – der Rest ist nun sozusagen Wirklichkeit gewordene Geschichte.“

In der entstandenen Bauherrengemeinschaft ergaben sich für alle Seiten Synergieeffekte: Hamburg Leuchtfeuer profitierte von der Bauerfahrung der Partner, in Sachen Barrierefreiheit und bedarfsgerechtes Bauen wiederum lieferte Hamburg Leuchtfeuer durch seine langjährige Arbeit mit und für schwerkranke Menschen wichtigen Input. Die Zusammenarbeit verlief über die gesamte Zeit ausgesprochen konstruktiv, erklärt Ulf Bodenhagen: „Wir konnten und können uns stets aufeinander verlassen. Wir konnten ein wunderbares Vertrauensverhältnis aufbauen, fachlich wie persönlich.“ Dies habe sich immer wieder gezeigt, etwa bei anfallenden Vertragsverhandlungen oder bei der Planung und Errichtung eines gemeinsamen Treppenhauses mit der Hamburger Wohnen.

@ Kerstin Reese



Nachteile der Zusammenarbeit, wie etwa ein erhöhter Kommunikationsaufwand, seien nicht auszumachen – im Gegenteil: „Wir konnten viele Aufgaben in der Bauherrengemeinschaft aufteilen, und diese wurden immer zuverlässig erledigt. Es war ein großes Glück, dass es keine Reibung gab, die die Arbeit erschwert hätte.“ Deutlich wird dieser Gemeinschaftssinn auch durch die über den Bau hinausgehende Zusammenarbeit mit der Hamburger Wohnen. So ist die Dachterrasse in der Baakenallee 62 zur gemeinsamen Nutzung durch die dortigen Bewohner*innen sowie die Hausgemeinschaft von Festland vorgesehen. Zudem übernimmt die Hamburger Wohnen als Dienstleister zentrale Aufgaben der Hausverwaltung für Hamburg Leuchtfeuer Festland. Bei den „guten und zielführenden Vertragsverhandlungen“ hierzu kam beiden Parteien wieder die gemeinsame Auffassung der Bedeutung von Wohnraum zugute: „Es besteht große Einigkeit darüber, welchen Sinn Immobilien und das Wohnen für Menschen haben. Das wirkt sehr verbindend. So konnten wir faire Konditionen erarbeiten, von denen beide Seiten profitieren. Das ist aus unserer Sicht gelebte Verantwortung.“


Interview mit Jeannine Kontny

Leiterin des Wohnprojekts Festland

Festland verspricht „eine bessere Lebens­perspektive für junge Menschen mit chro­nischen Erkrankungen“. Was genau be­ deutet das und warum besteht ein solcher Bedarf?

Junge chronisch kranke Menschen, die in ihren motorischen Fähigkeiten eingeschränkt sind, es zukünftig sein werden oder anderweitigen Pflegebedarf haben, finden in Großstädten nur sehr schwer passenden Wohnraum. Es sind insgesamt vergleichsweise nur wenige Wohnungen verfügbar, viele Betrogene haben aufgrund ihrer Krankheit kein großes Budget, und sie benötigen insbesondere barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen, die es noch viel seltener gibt. Häufig fehlt auch ein soziales Umfeld, das Verständnis für die spezielle Situation der Menschen aufbringt. Daher ist Festland ein wichtiges, vielleicht wegweisendes Projekt für Hamburg und Umgebung.

Was macht Festland so besonders?
Es ist vor allem der ganzheitliche Ansatz: die Kombination aus modernem, barrierefreiem Wohnraum und inklusivem Wohnkonzept, das auch Platz für Menschen ohne Einschränkungen bietet. Wichtige Punkte sind auch die zentrale Lage mit guter ÖPNV-Anbindung an die Innenstadt und die Barrierefreiheit des Quartiers Baakenhafen. Für unsere Bewohner*innen trägt das zur Selbstbestimmung bei, und für viele ist das ein völlig neues Lebensgefühl. Daher sind wir unseren Partnern aus der Bauherrengemeinschaft so dankbar, dass wir Festland gemeinsam auf dem Baufeld bauen konnten.

Warum sind Lage und Anbindung so wichtig?
Junge chronisch kranke Menschen haben im urbanen Raum oftmals große Probleme, bedarfsgerechten und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Die Umstände zwingen sie oftmals entgegen, ihren Wünschen in abgelegeneren Lagen mit schlechterer Anbindung zu wohnen. Häufig bleibt wiederum nur der Verbleib im elterlichen oder familiären Haushalt als Alternative. Das ist natürlich nicht per se schlecht. Doch wenn wir von Selbstbestimmung und vom Aufbau eines eigenen Lebens mit eigenem sozialem Umfeld sprechen, ist das oft für alle Beteiligte eine Herausforderung. Bei uns finden Betroffene daher ein Wohnumfeld, das ihnen das eigenständige Leben in Gemeinschaft ermöglicht. Diese Gemeinschaft umfasst viele Menschen, die in einer ähnlichen Lage sind und die daher Erfahrung mit jungen chronisch kranken Menschen und Verständnis für deren spezielle Bedürfnisse haben. Festland soll daher nicht nur in Bezug auf barrierefreien Wohnraum eine Perspektive bieten, sondern auch im Hinblick auf die häufig auftretende soziale Isolation.

Die Bewohner*innen sind mittlerweile eingezogen: Wie bewerten Sie die Zeit bis jetzt und wie sehen die nächsten Monate aus?
Die Einzugsphase war schon sehr beeindruckend: Den fließenden Übergang zu sehen von der baulichen Fertigstellung bis zu den Einzügen und dem Leben, das dadurch ins Haus kommt, war bewegend. Wir haben im Vorfeld ja viele Gespräche mit Interessent*innen geführt, und nun die Hausgemeinschaft zu sehen, ist ein tolles Gefühl. Viele Bewohner*innen haben schon vielfältige Vorschläge für Gemeinschaftsaktivitäten und verbindende Aktionen gemacht – da bin ich sehr gespannt, was sich in diesem Zusammenhang ergibt. Die Menschen sind ganz unterschiedlich mit ihren Bedarfen, Wünschen und Eigenheiten, und doch eint alle die Verbundenheit mit diesem Haus. Dass das möglich ist, verdanken wir auch unseren vielen Förder*innen und Kooperationspartner*innen, wie etwa der Hamburger Wohnen. Und gleichzeitig wird uns auch immer wieder bewusst, wie viel Bedarf an solchen Projekten besteht. Daher hoffen wir natürlich, dass wir mit Festland andere Träger*innen zu ähnlichen Projekten motivieren können.

 

Baugenossenschaft Hamburger Wohnen eG

Försterweg 46
22525 Hamburg
Tel.: 040 540 006-0
Fax: 040 540 006-30
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